Als Digital Immigrant, also als eine, die plötzlich Blogs schreibt, interessiert es mich nun mal, was andere so schreiben. Vergangene Woche war ich aus diesem Grund lange auf Instagram unterwegs, um zu stöbern. Ich fand lustige Sachen, interessante Beiträge und auch Nachdenkliches. Doch eines fiel mir ganz deutlich auf.
Immer und immer wieder sind da Fotos zu finden, die in den Farbtönen weiß und grau gehalten sind. Da gibt es doch tatsächlich eine Mutter, die zwei Kinder im einstelligen Alter hat. Sie postet täglich Bilder, von denen eines durchs andere austauschbar wäre. Grundregel Nummer eins auf Insta ist mal ein sonnendurchfluteter Raum. (Keine Ahnung, wie die das bei miesepetrigem Regenwetter so sonnig kriegen). Selbstverständlich in weißen und verschiedenen Grautönen eingerichtet. Ein bisschen Instagramrosegold dazu ist durchaus akzeptabel . Als Farbakzent dient dann die Superfrau herself, denn sie ist stets in lieblichen pudrigen Rosatönen gekleidet. Oder in Rottönen. Die funktionieren auch. Der Beweis liegt auf der Hand, dass das Rosa durch eine beliebige Farbe ausgetauscht werden kann, was nicht minder erfolgreich ist. Farblich dazu passend steht auf der überdimensionierten, blitzeblanken Hochglanz-Kücheninsel ein frischer Blumenstrauß in einer Designervase. Und manchmal noch ein ebenso farblich passendes Arrangement aus diversen Dekoartikeln. Und das ist alles. Da liegt nix rum. Einfach gar nix. An den Garderobenhaken hängt eine einzige Jacke. Man stelle sich vor: Eine ganze Jacke. Natürlich in Rosa. Oder in Grau. Darunter ist ein ebenso farblich passendes Paar Schuhe platziert und im Kinderzimmer steht ein Bett. In weiß. Also nur ein Bett. Was anderes is da nicht zu sehen. Als lustiger Farbklecks dient das Kind. In einem anderen Grau. Ganz nebenbei bringt die wirklich absolut gut aussehende Dame dann noch ein farblich passendes Baby in dunkelgrau auf die Welt. Nicht ganz plötzlich. Denn begonnen mit dem ersten Ultraschallbild (Farbe passt ja eh schon prima) wurde von dem Zeitpunkt an nahezu täglich der Bauch fotografiert. Mal mit den Geschwisterkindern, mal ohne, mal mit Blumen, unter dem Pulli oder nackt. Der Bilderbuchehegatte und Traumpapi schafft es auch manchmal aufs Bild. Und was stellen wir fest? Es ist tatsächlich so, dass der Bauchumfang im Laufe der Schwangerschaft zunimmt🤓.
Hallo? Was stimmt mit den Frauen nicht? Oder was stimmt mit mir nicht?
Mag mal jemand unsere Garderobe sehen? Je nachdem wie viele Personen sich gerade im Haus befinden, muss man mit der Haustür die Schuhe beiseite schieben, um die Hütte überhaupt betreten zu können. Ich kann mir das nur so erklären, dass die Familie entweder zwei Show-Fotostudios im Haus hat, die die Kinder nicht betreten dürfen, oder aber es kommt quartalsweise ein Entrümpelungstrupp. Der räumt dann die komplette Wohnung leer und anschließend werden alle Fotos fürs kommende Quartal geknipst. Ich kann mir das beim besten Willen nicht anders erklären.
Noch weniger kann ich mir erklären, warum so ein Szenario über 40.000 Follower mit sich bringt. Kauft denen das tatsächlich auch nur eine Frau ab? Oder gar eine Mutter? Oder geht’s da echt nur um die Fotos? Steht ja dann immer in den Kommentaren: „oh… sooo süß ihr zwei“ oder „sooo hübsch Liebes“ Als Antwort dann immer: „daaanke😍“ und „ihr Lieben seid sooo lieb“. Also beim besten Willen. Ich kann mir doch nicht täglich Fotos von fremden Frauen und ihren Kids anschauen oder gar noch deren Babybäuche. Jedenfalls bin ich sehr froh, dass es in den 70/80er Jahren noch kein Insta gab. Nicht, dass meine Mama eventuell auf die Idee gekommen wäre, meine Kindheit von den ersten Lebensstunden an mit ihren „Lieben“ zu teilen.
Zurück zum Thema, auch ich hab’s natürlich gerne sauber. Nur muss es bei uns manchmal ausreichen zu wissen, dass vor einer halben Stunde eben alles gründlich gewischt wurde. Selbst, wenn dann aktuell davon nichts mehr zu sehen ist. Und statt teurer Designer-Interieur-Produkte beschränke ich mich auf Dekoartikel, zu denen ich entweder einen Bezug mit einer damit verbundenen Erinnerung habe, oder auf welche, die witzig und dennoch nutzbar sind.
Also Sachen, die die Welt eigentlich nicht braucht.
Ich finde es jedoch trotzdem schön, sie zu haben und ich freue mich täglich darüber. Unser Besitz reicht deshalb vom Eierschalensollbruchstellenverursacher über die Ketchuppistole bis zum Zahnstocherspenderhaus. Ist alles nicht stylisch, aber lustig und nützlich. Und ich liebe diesen Tand, der nicht nur mir, sondern oft auch unseren Gästen ein Schmunzeln ins Gesicht zaubert.
Ich mag auch Duftkerzen, aber da bin ich eigen. Da ist mir die Farbe sowas von wurscht, denn der Geruch zählt. Und da hilft’s mir nix, wenn die Kerze farblich zwar passen würde, aber der Duft nicht zur aktuellen Stimmung passt. Mittlerweile habe ich da ein ordentliches Sammelsurium und ich muss mein Sortiment dringend mal verkleinern. Als nächstes kauf ich Olive. Farblich zu Einrichtung passen sie trotzdem, sie sind bunt.
Und klar, auch bei uns gibt’s mal frische Blumen, wenn der Garten gerade mal nix bietet. Aktuell war mir als Kontrast zum Schnee draußen nach Tulpen. Fairtrade, und passend zu unserer Einrichtung in Bunt. Die stehen zwar nicht in der Designervase, aber sie haben Wasser. Ich wollte schwarze Vasen, die hatte ich jedoch leider nicht. Mir hat nämlich nicht zuuuufällig jemand solche zum Testen geschickt, es gibt keinen Link in der Story. Deshalb gibt’s bei mir auch keine Rabattgutscheine (darüber bin ich auch heilfroh, denn wer soll den ganzen Tand denn dann zum Sozialkaufhaus fahren). Und da ich weder die Zeit noch die Muße hatte, im halben Landkreis auf die Suche nach schwarzen Vasen zu gehen, musste ’ne Lösung her. Die Läden hier bei uns auf dem Land bieten nicht immer so große Auswahl, was sowohl meinem aktuellen Geschmack als auch meiner momentanen Stimmung entspricht. Internet is auch nicht, denn bis die Vase geliefert wird, sind die Blumen vertrocknet. Also führte mein Weg, wie so oft, schnurstracks in den Keller, um eben selber schwarze Vasen zu basteln. Und in dem Fall war ich auch ausnahmsweise sehr dankbar, dass noch niemand das Altglas weggebracht hat.
Ja so ist das eben. Da wird improvisiert und die ländlich notwendige Kreativität muss herhalten.
Meine Erziehung hat total versagt
Schon immer lege ich großen Wert darauf, meine Kinder in ihrer Individualität zu unterstützen und zu fördern. Ich möchte nicht, dass sie sich diesbezüglich irgendwelchen Diktaten beugen. Nein, sie sollen ihre eigene Kreativität ausleben, fernab jeglicher Modezwänge. Soviel Selbstbewusstsein sollte sein. Bisher war ich immer der Meinung, dass sich meine Kinder nix aufzwängen lassen, auch dem Markenwahn sind sie nicht verfallen. Doch vergangene Woche musste ich das Zimmer meiner Tochter streichen. Na? Welche Farbe? Richtig. In Instagramgrau 😢. Foto habe ich davon keines, schau dir auf Insta eines an. Nimm‘ irgendeines mit rosafarbenen Akzenten. Sieht ähnlich aus.
Sowohl die Erziehung zur Kreativität als auch zum modischen Selbstbewusstsein ging in diesem Fall wohl gründlich in die Hose.
Wenn ich wollte, könnte ich!
Ich hätte nun also ein instagraues Zimmer im Haus. Dekoriert mit weißen Accessoires 😩. Ich bin sicher, dass es nur eine Frage des Preises wäre, und ich dieses für Fotoshootings anmieten könnte. Ich mag aber nicht. Es bleibt bei Fotos mit roter Küchenwand und blauer Badezimmerwand. Basta. Ich mach da nicht mit☹.
Etwas irritiert kam ich jedoch vom letzten Einkauf zurück. Ich habe mir ein neues Sweatshirt gekauft. Und ich trau es mir fast nicht öffentlich bekannt geben, aber du kannst dir nicht vorstellen, welche Farbe es hat. Es ist ALTROSA!🤦🏽♀️👈. Ich bin entsetzt. Noch nieee hatte ich ein Sweatshirt in Rosa🤤. Das muss wohl die Instagehirnwäsche gewesen sein, aber sowas wird mir nicht nochmal passieren.
Auf jeden Fall hat nun meine Tochter ein neues Sweatshirt. Farblich passend zum Instagrau- und Instaweißzimmer. Und ich werde wohl nochmal shoppen gehen müssen🙃.
Ich wünsch‘ dir ein kunterbuntes Wochenende, mit gaaanz wenig grau😉. Und…. lass‘ dir bloß nix einreden ♥ !!!
Deine
Flitzer
Könnte dir auch gefallen, passend zum Thema: Stilikonen
du hast wieder den nagel auf den kopf getroffen mit der rosa designer tussi und als zubehör kinder platziersn für fotos. 🙂
LikeGefällt 1 Person
Schlimm🙄🤦🏽♀️
LikeLike
Super Beitrag!!👍🏻
Musste feststellen,dass ich und meine Wohnung auch nicht internettauglich sind🙈.
Küche ist bunt gestreift, Schlafzimmer ist rot-gold gestreift und mein Büro ist ein Traum in lila und rosa – obwohl – das passt ja schon fast wieder😂.
Ich bin auch der Meinung, dass es schöner ist wenn die eigenen vier Wände bewohnt aussehen und nicht wie ein Möbelhaus!
Liiieeeebe Grüße an euch liiieeeeeben!😍😂😂
LikeLike
Hahahaaaa 🙂 Danke dir Lieeebes 🙂 🙂
Okay, unsere Behausungen sind nicht instatauglich, aber wohntauglich. Es gibt gute Gespräche, schöne Feiern. Und bisher hat sich noch nie jemand über unsere Farbenfreude beschwert. Feste lassen sich nun mal in bewohnten Wohnungen besser feiern als in Möbelhäusern. Aber am seltsamsten finde ich es, dass es bei jeder Geburtstagsfeier so ist, dass sich die verbliebenen Gäste zu späterer Stunde alle in der Küche versammeln. Auch wenn’s da manchmal ganz schön eng wird. Ich denke, wir machen einfach weiter so 😉
:-*
LikeLike
sich in der küche versammeln ist in der tat ein uralter usus, vielleicht sogar aus urzeiten, als sich alle noch an einer feuerstelle versammelten und die „agenda“ des nächsten jagens und sammelns verabschiedeten :-).
ausnahmen sind küchen, die mit stahl, beton und hochglanz apparaturen total digitalisiert gesteuert und überwacht werden, gemütlich kann es da niemals werden, das mögen abgeschottete karrierist*innen und neureiche SO nicht, HABEN alles ODER dem SEIN geopfert. sind letzten endes ärmer dran als menschen, die in armut leben, doch den sinn für`s echte nie aufgaben.
LikeGefällt 1 Person
Da hast du wohl Recht.. ein weiterer Grund, mich gegen die Anschaffung eines Kaffeevollautomaten zu wehren😁
LikeGefällt 1 Person