Türquälerei und andere vorweihnachtliche Grausamkeiten

Es ist wieder so weit. Advent. Sicherlich nicht die beste Zeit, um meine Stärken zu demonstrieren. Überall sind sie derzeit wieder zu sehen. Hübsche weihnachtliche Gestecke, kunstvolle Kugelarrangements uuuhund… Adventskränze. Liebevoll dekoriert mit lustigen Elchen, glitzernden Sternen oder natürlichen Tannenzapfen. Anders bei uns. Es ist sehr lange her, dass ein schöner Adventskranz unsere Vorfreude auf Weihnachten begleitete. Aber dazu muss ich etwas weiter ausholen und dich gaaaanz tief in unsere Familiengeschichte einblicken lassen.

Talente vererben sich nunmal nicht so einfach

Meine Uroma war eine Marktfrau. Zeit ihres Lebens sammelte sie allerlei Schätze im Wald und verkaufte sie dann am Wochenmarkt in der Stadt. Meine Erinnerung zeigt sie stets mit einem Korb auf dem Schoß. Egal ob Schlüsselblumen, Maiglöckchen, Pilze oder Beeren aller Art. Und immer kam sie mit leeren Körben nach Hause, denn die Stadtmenschen waren nahezu verrückt nach den Waldschätzen, die sie feil bot. An Ostern wurden hunderte von Eiern ausgeblasen und von den Enkelkindern bemalt. Und natürlich, du ahnst es sicher, in der Adventszeit verkaufte man selbstverständlich selbst gebundene Adventskränze. Ganz klar, dass da alle mithelfen mussten, um der benötigten Menge Herr zu werden.

Logisch, dass von der Urenkelin einer Marktfrau erwartet wird, dass sie einen einfachen Adventskranz binden kann. Doch da enttäusche ich leider, ich kann es nicht. Aber:

So schnell aufgeben ist nicht

Meinem Vater, der das Kränzebinden natürlich perfekt im Schlaf beherrschte, war es ein Anliegen, seinen Kindern das RICHTIGE Kranzbinden zu lehren. Deshalb veranstaltete er stets am Wochenende vor dem ersten Advent einen Kranzbindeabend. Es gab Wintertee, später dann Glühwein, Lebkuchen und die ersten selbst gebackenen Plätzchen. Im Radio lief Bayern 1 und es war stets sehr lustig und gemütlich. Mit schier unendlicher Geduld erklärte er mir und meinen Geschwistern, wie denn die Zweige geschnitten sein müssten, wie sie anzuordnen seien und wo man sie dann am Reifen mit welchem Draht in der richtigen Reihenfolge festbinde. Ich weiß, was ein halber Kranz ist (nur mit Zweigen oben), und was ein ganzer Kranz ist (ringsum gebunden). Soweit zur Theorie. Kapier ich alles. Aber in der Praxis sieht das ganz anders aus. Es wurde leider nix. Mein Vater war ein sehr geduldiger Mensch. Nach einigen Jahren musste auch er erkennen, das eine Kuh einfacher auf’s Eis zu bringen wäre. Man nennt es wohl Kapitulation. Aber sein mitleidendes, gutes Vaterherz sorgte natürlich dafür, dass auch ich am Ende einen perfekten Kranz am Tisch stehen hatte 😁.

Gästebuch
Als Beweis der Gästebucheintrag.

Familientraditionen in aller Ehre

Wir Geschwister wollten die schöne Tradition auch nach dem Tod unseres Vaters aufrecht erhalten. Und so treffen wir uns, wie es sich gehört, am Freitag vor dem ersten Advent zum Kranzbinden. Ein Stuhl bleibt immer frei. Ich muss zugeben, es lag nicht am Lehrmeister, denn bei meinen Geschwistern klappt dies mittlerweile auch ganz gut. Die Kränze werden in jedem Jahr schöner. Nur ich habe die Hoffnung schon bald endgültig aufgegeben. Obwohl ich absolut total motiviert war, alleine meinem Vater zuliebe auch endlich einen einigermaßen ordentlichen Kranz hinzukriegen.

Adventsgesteck

Ein guter Krieger weiß, wann die Schlacht verloren ist

Ich habe mir vor einigen Jahren ein längliches Metallgestell gekauft, das ich nur mit Zweigen und Kerzen bestücken muss. Passt eh viel besser auf unseren Schrank. Trotzdem war es mir immer ein Anliegen, auch ein Ergebnis vom Kranzbindeabend mit heim zu bringen. Da das mit dem Adventskranz sinnlos war, beschloss ich eines Jahres, es mit einem Türkranz zu versuchen. Der könne ja asymmetrisch sein und eventuell dann mit Deko entsprechend ausgeglichen und kaschiert werden. Das Urteil meiner Geschwister war, völlig ungeachtet meiner künstlerischen Gefühle, einfach nur vernichtend. Sie waren sich einig:

„Das ist ganz eindeutig Türquälerei“

Türquälerei
Es lindert wohl auch die Herzform nicht die Qual der Tür

Im darauf folgenden Jahr versuchte ich erst gar nicht, Nadelholzzweige in eine runde Form zu bringen. Mein Plan war es, einen lustigen Baum zu binden. So einen, der oben eine witzig geschwungene Spitze hat. Sieht man ja im Internet immer und ich dachte mir, dass das sooo schwer ja nicht sein könne. Wieder waren sich meine Geschwister einig, dass das Büschel Zweige eher einem Kuhstallbesen ähnelte. Ich nahm ihn trotzdem mit heim, gab ihm ’ne kleine Lichterkette und setzte ihm eine Nikolausmütze auf die nicht ganz so filigran geformte Spitze. Er tat mir sehr leid, aber ich fand ihn schön 😍.

Nun ja, ich habe mich damit abgefunden. Man muss ja nicht alles können. Aber ich kann aus Eisstielen Nikoläuse schnitzen. NikoläuseUnd ich kann aus einer alten Leiter einen Christbaum zaubern. Außerdem male ich jedes Jahr schöne Adventskerzen an unsere to-do-Tafel in der Küche, die dann an jedem Adventssonntag eine Flamme gemalt kriegen und hülle das Haus von oben bis unten in weihnachtliche Duftwolken. Ist sehr effektiv, wie ich finde. Und kaufen kann ich. Ich denke, das reicht.

Leiterbaum

Ob ich heuer zum Kranzbinden gehe, weiß ich noch nicht. Bisher bin ich noch gar nicht eingeladen. Wahrscheinlich überwiegt die Erkenntnis, dass das mit mir eh sinnlos ist. Sollte ich trotzdem eingeladen werden, würde ich wahrscheinlich doch auch hin gehen. Nicht zum Kranzbinden, sondern zur Belustigung meiner Geschwister und wegen des Glühweins. Welch fantasievolles Kunstwerk ich mir dann aus dem Ärmel schütteln werde, überleg‘ ich mir noch.

Ich wünsch dir jedenfalls mehr Erfolg, ein glücklicheres Händchen bei der Weihnachtsdeko und ein herrliches erstes Adventswochenende.

Alles Liebe,

Flitzer

Adventskranz
last-minute-Adventskranz in Lauerstellung. Bald wird die erste Kerze brennen

5 Antworten auf “Türquälerei und andere vorweihnachtliche Grausamkeiten”

  1. Ich war vorhin in der großen Stadt. Dort ist alles schon voller Lichterketten und Tannenzweige. Bin völlig überrumpelt, als hätte ich die letzten beiden Wochen im Keller verbracht. Hab panikartig Weihnachtsdeko gekauft und gleich aufgehängt. Jetzt kommt langsam die Vorfreude auf den Advent. Gerade noch rechtzeitig. Den Adventskranz kaufe ich morgen auf dem Adventsmarkt beim Frauenbund, da ist der Erlös für einen guten Zweck. Also zwei Fliegen mit einer Klappe. Und Glühwein gibt’s sicherlich auch. Ich hoffe wir sehen uns.
    LG Glitzer

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  2. Meine Versuche Tanne in irgendeine Form zu bringen, lassen am Ende immer vermuten, dass während des Bindens eine Explosion stattgefunden hat oder dass es sich um sehr eigenwillige Kreationen, bzw. Moderne Kunst handelt.
    Machen wir lieber die Dinge, die wir besser können … obwohl es bei dir mit deinen Geschwistern bestimmt sehr lustig ist.
    Eine schöne Adventszeit und liebe Grüße
    Pia

    Gefällt 1 Person

    1. Hallo Pia.. da hast du wohl Recht… Aber auch wenn ich mich immer zum Deppen mache, es ist immer lustig. Und ich weiß, dass sich unser Papa auch königlich amüsieren würde.
      Dir auch eine schöne Adventszeit.. auch ohne Tannenzeugs🤭

      Gefällt 1 Person

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