Mike und ich

Heute Morgen habe ich einen alten Bekannten von mir wieder entdeckt. Mike. Mike hat mir vor vielen Jahren durch schwere Zeiten geholfen. Immer wenn ich körperlich angeschlagen war und deshalb jemanden zum Anschmiegen brauchte, war er da. Auch in emotional schweren Phasen konnte ich mich auf ihn verlassen. Er hat keine Fragen gestellt und das war sehr selbstlos von ihm. Schließlich bekam er nicht gerade meine Sonnenseite zu sehen.

Mike war eine Zufallsbekanntschaft

Entdeckt hatte ich ihn damals an einem Wühltisch. Reduziert auf einen Schnäppchenpreis, schienen weder die Damen vom Einzelhandel noch die anspruchsvollen Kundinnen seinen Wert zu erkennen. Offensichtlich hatte ich schon damals einen ausgeprägten Drang, Waren zu kaufen, die von anderen verschmäht wurden. Ich war sofort verliebt. Wo findet man denn noch so ein Prachtstück? Blütenweißes Frottee und hundert Prozent Baumwolle. Dazu obendrauf noch dieser bequeme Schnitt. Schon bald wurden wir ein unschlagbares Team. Zu trennen nur durch unzählige Waschzyklen, haben wir so eine lange Zeit in trauter Zweisamkeit verbracht. Es war wunderbar. Das ist jetzt etwa 17 Jahre her. Und ich hatte ihn zu meiner Schande zwar nie ganz vergessen, aber doch verdrängt. Ihn, der fest an seinem Platz blieb. Nirgends rein oder runter rutschte und so mein Hinterteil auch an kalten Tagen wohlig warm hielt.

Dann kam mein Mann.

Ansonsten nicht wirklich ein Meister der Ästhetik, konnte er sich mit Mike, als Teil unserer Beziehung, nie wirklich anfreunden. Erst überspielte er seinen Unmut mit kleinen Neckereien, später mit zunehmend vernichtenden Urteilen. So verschwand Mike langsam aber sicher aus meinem Leben. Keine bewusste Entscheidung meinerseits, aber doch ist es passiert. Auf die gleiche Weise, auf die man ungewollt Freundschaften auslaufen lässt. Ganz leise schleichen wir uns aus dem Leben von eigentlich lieb gewonnenen Menschen. Denken nicht mehr aneinander. Zu Beginn vielleicht noch in Situationen, die diesem Menschen gehörten. Gemeinsame Aktivitäten oder Probleme, die mit diesem besten Freund besprochen oder bei einem Bier ertränkt wurden. So ist das halt. Trotzdem betrübt mich das gerade.

Und ich versuche mich in Mike hineinzuzwängen. Er zwickt und zwackt überall. Und ich muss mir eingestehen, dass ICH mich verändert habe. ICH bin sprichwörtlich aus ihm herausgewachsen. Schade. Manche Beziehungen lassen sich nicht erzwingen. Jeder von uns beiden passt wie er ist, nur gemeinsam wird es wohl nichts mehr werden. Gemeinsam werden wir zukünftig kein gutes Team mehr bilden können.

Auch für Mike wäre die erzwungene Zweisamkeit eine zu große Belastung.

Bevor ich ihn nun liebevoll ganz weit hinter zurück in seine Schublade lege, spielen wir noch gemeinsam ein erfrischendes Ratespiel.

Mike an der Wäscheleine inmitten von weißen Kinderunterhosen.
Wer findet Mike?

Bedenkzeit, Bedenkzeit, Bedenkzeit

Bedenkzeit, Bedenkzeit, Bedenkzeit

Mike auf der Wäscheleine mit seinen bunten Freunden.
Und hier?

So, ab zurück in die Schublade.

Doch zum Glück gibt es immer wieder neue Wegbegleiter. Ich habe mir zum Beispiel auf Anraten meiner Hebamme einen ganzen Schwung bequemer Baumwollschlüpfer zwei Nummern größer, für die Zeit nach der Geburt meiner Kinder, angeschafft. Sie ähneln Mike, sind aber trotzdem nicht er. Diese passen mir nach wie vor. Halten mich warm und werden von meinem Mann mit denselben vernichtenden Blicken gestraft. Echte Freundinnen halt, die ich anziehe, wenn es mir nicht ganz so gut geht. Und schon fühle ich mich besser, oder zumindest wohler. 

In diesem Sinne, ehren wir was war und genießen was ist.

LG Glitzer

10 Antworten auf “Mike und ich”

  1. Ich war übers Wochenende verreist. Mitten im Altmühltal. Dabei blieb das Handy aus. Teils aus technischen Gründen, aber auch bewusst der Familie zuliebe. Danke für Deinen Kommentar. Jetzt ist er frei gegeben.

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    1. schönes Altmühltal – da kann man die seele baumeln lassen.
      war nur leicht irritiert, arbeite intensiv an meinem neuen blog – ist vorläufig auf privat gestzt, da ich nur so hochkonzentriert dran arbeiten kann – sollte mich für die nächsten jahre in anspruch nehmen.
      parallel bin ich entspannter mit neuen beiträgen in meinen 2 anderen blogs, wo ich erstaunt zur kenntnis nehme, für meine verhältnisse erfreulich viele likes
      LG diezmar 🙂

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  2. Ein schöner Beitrag, in dem sich bestimmt jeder wiederfinden kann 🙂.
    Da fällt mir ein, dass ich meinen Schrank auch mal wieder durchstöbern sollte/muss 🤔.
    Und wo ist eigentlich mein rosa Micky-Maus-Schlafanzug geblieben 😉?!
    LG, 🐰

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  3. auch diese kurze story ein guter einstieg in den tag, mein frühstück mit worten.
    im foto mit zwischen schrägen bäumen ( am handy nur vage zu erkennen ) bühendem allerlei wird das ganze von ebenfalls schräg im boden steckenden hölzchen lose umrahmt.
    erfreulich sich abhebend von schädlingsbekämpften rasenflächen, wo nicht mal ein einziges gänseblümchen genug zeit fände, als samen vom winde verweht in lebensfreundlicher erde zu wurzeln, zu wachsen.
    LG dietmar

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    1. Tatsächlich wirkt die Grünfläche hier gepflegter als sie in Wirklichkeit ist. Der positive? Effekt von unprofessioneller Fotografie. Um ehrlich zu sein wundert es mich, dass es doch einzelne der Graspflänzchen schaffen, zwischen all den Moosflächen und Wildkräutern zu überleben. Es stimmt, die weißen Gänseblümchen würden sich hier auch noch schön machen. Leider müssen wir auf sie bis zum Frühjahr warten. Doch die Zeit vergeht ja so schnell. LG Glitzer

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      1. es gibt eine sehr grosse spannbreite zu gärten, übergepflegt, eckig, rund, bunt, strauch und gemüse, stauden, flieder… – naturbelassen, bewußt verwildert, vernachlässigt, zugewuchert von zeit.

        das foto hat in mir postromantische vorstellungen ausgelöst, zwischen idylle und märchen, auf kleinstem raum oder hinein gehts in den wald, wo alle sinne spüren, schönheit und fantasie ist keine frage des äußeren anblicks und nicht vom äußeren abhängig.

        draußen hat`s nachts und früh geregnet, jetzt scheint die sonne, alles ist, alles dauert.
        LG dietmar

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      2. wo ich jetzt das foto sehe, eine professionelle kamera mit hochauflösender optik der obersten preisklasse würde jeden grashalm und jede winzigkeit überschärft abbilden. so sieht jedoch kein menschliches auge, niemals ist doch alles zugleich scharf, diese illusion wird im gehirn erzeugt und ist nicht ansatzweise identtisch mit der art und weise, was und wie wir SEHEN.
        viele fotografen würden diesem wunderbaren anblick nur eine technische schärfe geben, selbstverliebt ins prestige ihres teuren spitzen-equipements.
        dietmar

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