Mein erster Gedanke war Herr der Ringe. Oder irgendein abgedrehter Versuch der Zurschaustellung von Wohlstand, Macht, vielleicht aber auch nur schlechtem Geschmack? Wir fuhren zufällig an diesem Monstrum von, ja was eigentlich,
Hoftor? Sicherheitsschranke? vorbei. Das bedurfte einer erneuten Besichtigung und als Beweis musste ich unbedingt ein Foto machen. So etwas hatte ich bis dato noch nicht gesehen.

Täglich fahre ich an Gartenzäunen, Einfriedungen und Mauern vorbei, ohne sie groß wahrzunehmen. Doch dieses aus augenscheinlich vorhandenen finanziellen Mitteln und gezieltem Stilbruch in sich vereinigendem Konstrukt zog mich in seinen Bann. Peinlich berührt wurde mir klar, dass ich gerade das Verhalten eines mir zutiefst verabscheuungswürdigenden Gaffers an den Tag legte. Dass es hier nicht ständig zu Auffahrunfällen kommt, ist sicherlich dem Umstand einer kaum befahrenen 30km/h Siedlungsstraße geschuldet. Was veranlasst jemanden, sein mehr als unterdurchschnittlich schönes Siebzigerjahrewohnhaus mit einem pompösen Machwerk wie diesem von der Außenwelt abzugrenzen? Oder war es vielleicht eines dieser Geschenke zur Hochzeit, das man nicht ablehnen kann und das bis zum Lebensende des Schenkenden allen Besuchern sichtbar präsentiert werden muss? Diese Frage ließ mich nicht mehr los und ich fing, wie meist in solchen Situationen, an, mich eingehend mit dem Thema zu beschäftigen.
Zuerst die Frage, weshalb wir überhaupt das Bedürfnis haben, unser Grundstück oder Haus durch was auch immer nach außen hin abzugrenzen. Der offensichtlichste Grund ist das Bedürfnis nach Sicherheit. Niemand soll ungehindert in unsere Privatsphäre vordringen können. Zäune geben uns das Gefühl von Sicherheit, sie bilden eine Barriere, die für Tier und Mensch mehr oder weniger schwer zu durchbrechen ist. Dabei fällt mir auf, dass nach meinem subjektiven Empfinden die Anzahl der Zäune geringer wird, je größer die Stadt ist. Sicherlich liegt das an der Tatsache, dass in Großstädten der private Raum an der Wohnungstür endet, während er auf dem Land bis zur Grundstücksgrenze reicht.
Und weil uns die Klarstellung DEINS – MEINS ein Grundbedürfnis ist, wundert es mich nicht, dass ich bei der Eingabe von „Zaun“ in die Suchmaschine neben Werbeanzeigen hauptsächlich auf Seiten der Rechtsberatung zu diesem Thema stoße. Zäune beschäftigen Nachbarschaftsgemüter und Gerichte in einem wie mir scheint unverhältnismäßig hohem Maß. Wo darf der Zaun stehen? Wie hat er auszusehen? Was ist überhaupt noch ein Zaun? Unglaublich aber wahr, es ist wirklich alles bis auf das kleinste Detail geregelt. Und dennoch gibt es ständig Ärger.
Höhe und Ort der Latte sind entscheidend
Grundsätzlich steht die Frage im Raum, ob meine gewünschte Einfriedung – kommt im weitesten Sinne von Frieden, den wir uns in unserem eigenen Grundstück wünschen und zeigt wieder einmal die humoristische Explosionskraft unserer ach so schönen Sprache – denn ortsüblich ist. Das lässt sich ganz einfach feststellen, wenn man vorab durch die eigene Wohngegend schlendert und nachsieht, was denn am Ort so üblich ist. Gibt es kein einheitliches Bild, kann man bei der Gemeinde oder beim örtlich zuständigen Bauamt anfragen. Denn Achtung, übersteigt der Zaun, die Hecke oder die Mauer eine Höhe von 1,20m ( 1,70m, 1,90m oder 2,10m, auch das ist regional unterschiedlich), so wird aus der Einfriedung ein Sichtschutz und bedarf mitunter einer Baugenehmigung. Wie das mit einer geradezu lieblich wirkenden, neu gepflanzten Thujahecke ist, die sich im Laufe der Zeit zu einer undurchdringlichen Mauer auswächst, weiß ich nicht. Allerdings wird sie in dem Moment zur „Grenzanlage“, und das ist kein schlechter Scherz, wenn sie direkt auf die Grundstücksgrenze gepflanzt wird. Im gegenseitigen Einverständnis beider Nachbarparteien wohlgemerkt. In diesem Fall darf die Grenzanlage, bestehend aus welchem Material auch immer, nur entfernt werden, wenn wiederum beide Nachbarparteien einverstanden sind. Deshalb prüfe, wer sich ewig bindet! Im Zweifelsfall die Hecke dann doch ins eigene Grundstück verlegen, dann bleibt man flexibel.


Genug der Theorie, zurück zu den Gründen für die Errichtung von Zäunen, Hecken oder gar einer Grenzanlage.
Latte, Stein oder Metall?
Ein nicht wenig wichtiger Faktor für die Markierung unseres Territoriums ist die Außenwirkung, die Dekorwirkung. Der Zaun soll uns gefallen und soweit möglich Eindruck auf unsere Mitmenschen machen. Wir zeigen wer wir sind, indem wir eine naturnahe Hecke, den Maschendrahtzaun, eine Steinmauer oder einen immer beliebter werdenden Edelstahlzaun um unser Eigenheim ziehen. Sind wir eher der naturnahe, verspielte Typ, oder der geradlinige und praktisch denkende Eigenheimbesitzer?

Alles in Allem finde ich es gut, dass ich in meiner Stadt freie Hand habe, mich auszutoben. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemandem etwas verboten wurde. Mir gefällt der Mischmasch aus verschiedenen Geschmäckern und die Abwechslung beim Vorbeigehen. Alles was zu sehr vereinheitlicht wird, wirkt schnell langweilig und trist. Wie ich allerdings reagieren würde, wenn sich mein Nachbar neben mir ein solches, mein heutiges Gedankenkarussell auslösendes Tor montieren lassen würde, weiß ich nicht. Da muss ich wohl noch an meiner Toleranz arbeiten. Meine Terrasse geht zum Glück in die andere Richtung, deshalb sehe ich meiner Intoleranz in diesem Fall gelassen entgegen. Am Ende sind es doch die kleinen Fehler, die uns ausmachen, stimmts? Und niemals würde ich mich an diesen Ort erinnern, wenn da nicht dieses äußerst imposante Kunstwerk inmitten einer sonst wenig abwechslungsreichen Siedlung gestanden hätte.
Unter den Begriff Geschmackssache fällt auch die eine oder ander Art der Osterdekoration. Wenn du neugierig bist, welche Gedanken ich mir dazu gemacht habe, kannst du es hier nachlesen. Viel Spaß damit.
In diesem Sinne, geschaffen um anders zu sein.
Liebe Grüße, Glitzer