Eselsbrücken

Neue Eselsbrücken, neues Glück

Ich arbeite in einer Bildungseinrichtung. Das Schuljahr hat begonnen, und ich habe mal wieder den guten Vorsatz, mir die Namen unserer Studierenden einzuprägen. Jedes Jahr versuche ich es aufs Neue. Und jedes Jahr muss ich mir eingestehen, mit Namen hab ich´s nicht so.

Flitzerglitzer hängen und stehen auf dem maroden Geländer einer in die Jahre gekommenen Brücke.
Eselsbrücken oder Brücken für Esel? Eselsbrücken geben Hilfestellung. Dabei darf, was Kreativität und Spaß betrifft, aus dem Vollen geschöpft werden.

Da helfen auch die besten Eselsbrücken nicht.

Immer, wenn mir jemand vorgestellt wird, denke ich mir: Ach, den Namen kannst du dir merken. Meier oder Meyer, die Schreibweise ist ja egal, wenn ich die Person direkt anreden möchte. Und Meier kann sich ja nun mal jeder leicht merken. Denke ich mir so. Und schwupps wird aus der Frau Meier eine Frau Schmidt oder ein anderer, sehr geläufiger Name. Dabei bin ich echt einfallsreich.

So hatte ich zum Beispiel eine neue Kollegin, deren Namen ich mir sicherlich gut merken würde. Rehfelder. Einfach. Ein Tier plus Landschaft. Zielsicher sprach ich sie am folgenden Tag mit Fuchsberger an. Einmal abgespeichert, war dieser Name nun der, den ich in spontanen, unüberlegten Ansprachen immer sofort parat hatte. Zum Glück wechselten wir an unserem letzten gemeinsamen Arbeitstag auf das „Du“ und den Vornamen. Seitdem hatte ich leider keine Gelegenheit mehr, sie direkt anzusprechen.

Der Name des netten Pflegers ist wirklich gut zu merken. Als er sich vorstellt, liefert er die hilfreiche Eselsbrücke gleich mit: „Wie der Sänger“. Nach einem laaaangen Spaziergang und intensivem Grübeln nach dem Sänger mit O, spickten wir dann doch noch einmal auf die Fotowand der Stationsküche. Falco. Ich sag doch, da war ein O.

vergammelte Holzbrücke, die nicht dazu einläd, den Graben mit ihrer Hilfe überqueren zu wollen.
Brücken und Eselsbrücken – manchmal etwas marode und nicht sehr vertrauenerweckend.

Als ich vor zwei Wochen vor dem neuen Klassenlehrer meines Sohnes stand, wusste ich ganz sicher, dass sein Name irgendwas mit Gewürz war. Zum Glück übernahm er sofort die Initiative und stellte sich selbst nochmals vor. Herr Erdnuss. Na immerhin war ich nah dran. Deshalb an dieser Stelle ein Appell. Nennt euren Namen ruhig öfter. Auch beim zweiten oder dritten Gespräch. Oder lasst ihn im Gespräch oder bei Notizen noch einmal auftauchen. Das hilft eurem Gegenüber ungemein.

Und solche Beispiele hätte ich zur Genüge. Auch Geschichten über peinliche Situationen. Nicht zuletzt, dass mir bei geschiedenen und wieder verheirateten Personen grundsätzlich nur der Name aus erster Ehe einfällt. Dann lieber erst gar nicht mit dem Namen ansprechen.

Dieses Jahr habe ich Glück.

Wir haben eine Studierende, die den Namen meiner Jugendliebe trägt. Praktisch, denn die erste Liebe vergisst man ja dann doch nicht so leicht. Bis ich nach etwa einer Woche bemerke, dass es eine weitere Studierende gibt, die seinen Vornamen als Nachnamen hat. Und die zwei sehen sich auch noch verdammt ähnlich. Doch immerhin bleibt mir bei diesen beiden eine fünfzigprozentige Chance, den richtigen Namen zu erraten. Ein Teilerfolg.
Ich beschäftige mich nun wirklich schon lange mit Taktiken und Techniken, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. War im Gedächtnisseminar, höre mir Podcasts zu diesem Thema an.

Und was Eselsbrücken betrifft, bin ich wirklich kreativ.

Heute noch weiß ich eine sinnlose Aneinanderreihung von Nomen, die ich mir in der zehnten Klasse angeeignet habe. Ich weiß auswendig, aus welchen Basen die DNS meines Gegenübers besteht, wie seine Knochen heißen, doch seinen Namen kann ich mir noch immer nicht merken.

Die alte Betonbrücke scheint den Fluss von der Altstadt zu trennen. Tatsächlich verbindet sie jedoch das Örtchen mit der Außenwelt.
Gerade alte, viel genutzte Eselsbrücken nutzen wir im Alltag, über Generationen hinweg, ohne ihnen groß Beachtung zu schenken.

Ich habe auch das Gefühl, dass mich meine Umwelt diesbezüglich absichtlich auf die Probe stellt. Mit Stolz kann ich behaupten, dass ich mir im Laufe meiner ersten 25 Lebensjahre die Nachnamen sämtlicher Nachbarn angeeignet hatte. Und das lief ganz gut, bis ich deren Meinung nach alt genug war, um auf das „Du“ umzusteigen. So. Plötzlich wurden aus Müller, Meier, Schmid Günter, Wolfgang und Eberhard. Da soll noch einer durchsteigen. Vor allem, da sie häufig bereits einen Nachnamen hatten, der genauso gut der Vorname hätte sein können.

Und dann ist da noch die Krux mit den Spitznamen, die einige Leute tragen, von denen man noch nicht einmal weiß, dass sie Spitznamen sind. Dass der Hurgler nur von seiner Umwelt so genannt wird, wohlweislich nur in seiner Abwesenheit, da diese Titulierung nur wenig schmeichelhaft ist. Das muss einem Kind doch auch einmal gesagt werden.

Nach weiteren erhellenden Jahren habe ich erkannt, dass Otto eigentlich Stefan heißt und der Maurer nur so genannt wird, da sein Vater diesen Beruf irgendwann einmal erlernt hatte.

Völlig entspannt betrachten Flitzerglitzer die Insel, ohne der Brücke links im Hintergrund Beachtung zu schenken.
Manche Elselsbrücke kann man getrost links liegen lassen.

Beruhigend finde ich es allerdings, dass ich immer wieder merke, wie sich die Leute um mich herum auch nicht immer all zu leicht tun, sich meinen Namen zu merken. Sollte sich einmal ein aufdringlicher Fan auf die Suche nach mir machen, bin ich mir sicher, dass er mich nie finden wird. Denn mich kennen die Leute auch nur unter meinem Mädchennamen. Nur wer diesen kennt, wird eine verlässliche Wegbeschreibung zu meinem Haus bekommen. Der Rest landet bei einer Namensschwester von mir, der ich einige Jahre monatlich begegnet bin, um ihr ihre abonnierte Zeitschrift vorbeizubringen. Denn bis zur Straße war der Postbote beim Lesen der Anschrift nie vorgestoßen. Inzwischen scheint sie das Blatt nicht mehr zu beziehen. Und ich schweife ab.

Mein Problem bleibt, doch das Schuljahr ist ja noch jung. Inzwischen baue ich mir weiter Eselsbrücken, die zwar nicht immer ans gewünschte Ufer ragen, doch irgendwo landen sie immer. Meist bei höflichen, wenig verärgerten Mitmenschen, die gelernt haben, auf so ziemlich alle Namen zu hören. Den der Schwester, des Vaters oder auf die abstrusesten Spitznamen.

In diesem Sinne,

LG Glitzer oder auch Flitzer. Das ist auch einerlei.

Hier geht es weiter zum Beitrag Stilikonen

Stilikonen 2

5 Antworten auf “Eselsbrücken”

  1. 😂😂😂
    Wie wenn ich in einen Spiegel schaue!
    😂🙈😂
    Ich begrüße meine SchülerInnen jedes Jahr mit den Worten:
    „Schön, dass sie da sind! Bitte wundern sie sich nicht, wenn sie mich im Schulhaus treffen oder ansprechen und ich nicht weiß wer sie sind und zu welcher Klasse sie gehören.
    Das hat nichts mit ihnen persönlich zu tun, oder dass ich mich nicht für sie interessiere, oder sie mir egal sind.
    Ich kann mir einfach keine Gesichter und Namen merken.
    Ich hoffe bis Weihnachten kenne ich sie alle beim Namen.“

    Die traurige Wahrheit ist – das hat noch nie geklappt 😩!

    In meiner Verzweiflung kam mir schon der Gedanke, dass ich den SchülerInnen am Anfang vom Schuljahr je einen Namens-Button zum anstecken schenke, die sie dann in meinem Unterricht tragen können.
    Aber das kann ja nicht die Lösung sein 🙈.

    Zum Glück hatten bis jetzt alle viel Geduld und Verständnis mit mir und wurden nicht müde mir bei Einzelgesprächen immer erst ihren Namen zu nennen.

    Vielleicht klappt es ja dieses Jahr bis Weihnachten 😉!
    Grüßi, 🐰

    Gefällt 1 Person

    1. Auch wenn es mich kein Stück weiter bringt, beruhigt es mich doch, nicht alleine mit dieser Unfähigkeit gesegnet zu sein. Danke für Deine Ehrlichkeit. Nicht jeder steht zu seinen Unzulänglichkeiten. LG Glitzer

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