Geh‘ zurück in die Mülltonne

Zickenkrieg war gestern – heute ist Cybermobbing

Gerne würde ich dir heute was Lustiges erzählen. Geht aber leider nicht. Ich bin diesmal richtig wütend. Denn es ist nun sogar bei uns auf dem behüteten Land angekommen:

CYBERMOBBING

Bisher habe ich mir darüber wenige Gedanken gemacht. Wie so oft, wenn es um Dinge geht, die einen nicht direkt betreffen. Man ist ja mit den Dingen beschäftigt, die einen betreffen. Ich denke mir in solchen Fällen dann meist: „Mensch, muss das schlimm sein.“ Doch ist man betroffen, ändert sich die Sichtweise doch schlagartig. Deshalb will ich dir ein Erlebnis einer guten Freundin erzählen. Würde ich sie nicht so gut kennen, ich hätte es wahrscheinlich nicht geglaubt und gedacht: „Mensch, das ist ja echt schlimm.“

Es ist mitten unter uns

Eine Freundin schickte mir ein Foto mit den folgenden Worten: „Schau dir das doch mal an. Fällt dir dazu noch was ein?“

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Es war der Screenshot eines anonymen Chatverlaufes, in dem ihre Tochter unterwegs war. Und die Nachricht war an ihre Tochter gerichtet. Ich musste mich erstmal setzten. Diesmal ohne Kaffee, denn sogar darauf war mir die Lust vergangen. Mir lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter, am ganzen Körper hatte ich Hühnerfell. Ich war entsetzt. Ja klar, von einigen kommt nun bestimmt wieder der Einwand, dass sie selber schuld seien, wenn sie auf solchen Portalen unterwegs sind. Und auch mir stellte sich die Frage, warum sich Teenager auf solchen Portalen herumtreiben. Braucht man sich hinterher ja auch nicht beschweren. Von meiner Tochter ließ ich mir erklären, dass es nun einfach witzig sei, sich mit den Freunden anonym zu unterhalten und zu erraten, wer nun was geschrieben habe. Und so ging es der Tochter meiner Freundin wohl auch. Anfangs war es auch für sie lustig. Doch immer öfter kamen Beleidigungen, die stets krasser wurden und letztendlich in solchen Nachrichten wie auf den Bildern endeten. Ich kann hier leider nicht alle Fotos veröffentlichen. Und ich kann auch nicht erzählen, was dieser Typ alles geschrieben hat. Es geht nicht. Ich kann dir nur soviel sagen, ich bin absolut geschockt und entsetzt.

Tagelang beschäftigten mich die Bilder und die schlimmen Beschimpfungen. Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Was richten solche Bosheiten mit fast erwachsenen Mädchen an?

IMG-20190402-WA0003-01-01Neben dem Mädchen, das mir samt seinen Eltern unendlich leid tat, beschäftigte mich aber ebenso der Täter. Wer weiß denn, ob es ein TätER ist? Warum nicht eine Täterin? Was veranlasst einen wohl ebenso jungen Menschen, andere Menschen derart zu beschimpfen und beleidigen? Was geht in einer Person vor, die derartige Gedanken im Kopf hat und diese sogar noch ins Smartphone bringt? Wie lebt so eine Person? Welche Kindheit durfte sie haben und hat sie ein familiäres Umfeld? Was ist, wenn so jemand mal dein Chef wird? Oder Arbeitskollege? Es ist jedenfalls so, dass mich meine Gedanken darum nicht beruhigen, sondern eher beunruhigen. Kein glücklicher, auch kein zufriedener Mensch kommt auf solche Gedanken. Und schon tut er mir ein wenig leid. Und gerne würde ich mich mit ihm mal unterhalten und folgendes sagen:

Lieber „anonym…2019“,schade, dass es dir noch niemand gesagt hat, aber KEIN Mensch kommt aus der Mülltonne. Auch du hast Mutter und Vater, und da kommst auch du her. Es tut mir sehr leid, dass dein Leben nicht so ist, wie du es gerne hättest. Aber noch ist es nicht zu spät, du kannst es jederzeit ändern. Es liegt in deiner Hand. Es wird jedoch nicht besser, wenn du anderen Menschen das Leben schwer machst. Bosheiten und Beleidigungen, noch dazu Lügen über andere haben noch kein Leben lebenswerter und reichhaltiger gemacht. Ich weiß nicht, ob du dir vorstellen kannst, was deine Grausamkeiten mit anderen Menschen anrichtet. Wahrscheinlich nicht. Aber ich wünsche dir von Herzen, dass sich irgendjemand um dich kümmert, dass du solche Nachrichten nicht mehr schreiben musst. Und… kauf dir, um Gottes Willen,  ’nen Duden!!!

Der erste Schock ist verdaut. Was nun?

Meiner Freundin gab ich den Rat, zur Polizei zu gehen. Nicht nur um solche Typen vielleicht doch aufspüren zu können, auch um ihrer Tochter zu zeigen, wie wichtig ihnen als Eltern die Angelegenheit ist. Auch der diensthabende Polizeibeamte war entsetzt und kommentierte die Fotos mit „Na das geht ja dann doch zu weit.“. Ich war sehr positiv überrascht,  dass das Anliegen so sehr ernst genommen wurde. Er gab den Fall an die eigens hierfür zuständige Beamtin weiter. Dies zeigt mir, dass es wohl nicht der einzige Fall in unserem beschaulichen ländlichen Gebiet ist und es wohl mehr solche kranken Seelen geben muss. Doch leider konnte bisher auch die Beamtin nach umfangreichen Recherchen nichts rausfinden. Denn das Profil war wenige Tage später leider gelöscht. Zu viele haben es beim Administrator angezeigt, der es dann umgehend still legte. Schön, dass es so viele gibt, die auch meiner Meinung sind und normal denken, aber auch schade, dass er so nicht gefunden werden konnte. Meine Freundin ist nun jedenfalls sicher, dass die Sicherheitseinstellungen ihrer Tochter in den sozialen Netzwerken optimal sind. Wurde ja nun polizeilich geprüft. Verunsichert ist sie trotzdem, denn es muss ja wohl jemand sein, den sowohl sie als auch ihr Kind kennt. Und die Tochter meiner Freundin hegt nun leider ihrem Bekanntenkreis gegenüber ein gewisses Misstrauen.

Mülltonne

Bleibt nur aus der Sache mitzunehmen, mal wieder mit den Kids zu reden. Leider kann ich den Vorfall als schlechtes Beispiel hernehmen um zu beweisen, dass meine Predigten nicht von ungefähr kommen. Passt auf eure auch fast erwachsenen Kinder auf und sichert ihre Handys. Es ist gefährlicher als wir denken. Seid sensibel und fahrt eure Antennen aus. Und mal wieder das Wichtigste: arbeitet an einem gaaanz dicken Draht zu euren Kindern.

Der Tochter meiner Freundin rate ich: Wirf doch bitte nicht mehr mit Scheren. Das ist blöd, wenn andere nur noch ein Auge haben.

Ein aufmerksames Wochenende, vielleicht mal wieder bereichert durch ein intensives Gespräch mit euren Kids wünscht

Flitzer

5 Antworten auf “Geh‘ zurück in die Mülltonne”

  1. Da hab ich schon richtig Angst, wie sich die „unendlichen Weiten“ (und damit verbundenen unendlich dunkelbösen Tiefen) dieser ausufernden Medienwelt auf unsere Kinder auswirkt. Der gute Draht, den du ansprichst, kann der rettende Anker sein.

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    1. Ja, da hast du Recht. Der gute Draht zu den Knilchen und ein verlässlicher und vernünftiger Freundeskreis ist auch unbezahlbar. Denn in vielen Situationen hat der sogar noch mehr Einfluss auf unsere „Kleinen“. Deshalb ist mir auch keine Horde Heranwachsender jemals zu viel und alle sind uns immer willkommen.. wir geben nicht auf😉

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  2. Ganz schlimme Geschichte. Ich kenne mich mit diesen anonymen Chats nicht wirklich aus. Gott sei Dank oder leider. Da bin ich noch nicht ganz sicher. Da muss ich bei meinen Mädels doch gleich mal nachfragen, ob sie auch auf solchen Portalen unterwegs sind. Das Erschreckenste ist wohl wirklich, dass man das Gegenüber irgendwie kennt. Das Misstrauen allen meinen Kontakten gegenüber, stelle ich mir sehr belastend vor. Damit könnte ich wohl sehr schlecht umgehen. LG Glitzer

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    1. Das macht einen Sprachlos!!
      Schlimm!
      Ich stell mir die Frage wie man dem vorbeugen kann 🤷🏼‍♀️.
      Medien- und Sozialkompetenz ist leider kein Schulfach und Eltern sind meist nicht gut genug informiert über die neuen Medien um ihren Sprösslingen dazu etwas beizubringen.
      Hoffentlich passiert das deiner Freundin nicht noch einmal!

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      1. Da hast du wohl Recht… Ich erinnere mich, dass eines meiner Kinder in der vierten Klasse einen „Medienführerschein“ gemacht hat. Fand ich sehr sinnvoll, aber das war wohl leider zu früh, da zumindest meine Kinder in dem Alter wenig Kontakt damit hatten. Die fünfte, oder sechsten Klasse fände ich dafür ideal… und es hätte eine andere Wirkung als Mamas und Papas Vorträge 🙄.. schönen Sonntag noch😁🙋🏽‍♀️

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