Rabattrausch

Hand auf’s Herz. In uns allen steckt doch mehr oder weniger ein Schnäppchenjäger. Sonst würde der ganze Rabattwahnsinn doch nicht funktionieren. Dabei ist mir, wie dir sicherlich auch, klar, dass niemand etwas zu verschenken hat. Als Gegenleistung präsentieren wir den Konzernen unsere Daten, unsere Gewohnheiten als Verbraucher, ja manchmal sogar unsere Entscheidungsfähigkeit. Gestern habe ich Depp tatsächlich aus Unachtsamkeit die wesentlich teureren Camembert gekauft,  weil sie im Angebot waren. Dabei kaufe ich normalerweise immer die auch ohne Angebot günstigeren. Einfach, weil sie aus Deutschland sind und nicht über weite Strecken zu uns transportiert werden müssen. Aber dieses Mal, mit dem Supersonderangebotsrabattschildchen, hab ich ohne lange zu überlegen die dennoch Teureren mit genommen. Das wurde mir allerdings erst klar, als ich sie in den Kühlschrank legte und den Preis auf dem Kassenzettel nachsah. Tja, wieder mal Lehrgeld bezahlt.

Aber offensichtlich beschäftigte mich das ganze mehr als mir lieb war, denn nachdem ich mir den Klassiker „Catch me if you can“ von Steven Spielberg angesehen hatte, durchträumte ich eine sehr, sehr unruhige Nacht. Offensichtlich war für mich die Zeit der Abrechnung gekommen. Es wurde wohl Zeit, zurückzuschlagen.

Zuerst ganz harmlos, träumte ich davon, dass ich beim Einkaufen Rabattaufkleber in begrenzter Menge mit 10% und 20%  auf meinen Produkten im Einkaufswagen zu verteilen hatte. Die Strategie war klar, für den 20% Aufkleber musste ein teureres Produkt her. Um möglichst viel zu sparen, legte ich eine gefrorene Gans dazu. Die war im Angebot und plus die 20% unschlagbar günstig. Außerdem kaufte ich einen Karton Sekt, denn im Karton war dieser heute fast geschenkt- uuund Aufkleber drauf! Es wurde immer besser. Ich bekam über meine Rabatt- App eine Nachricht aufs Handy, dass ich heute beim Discounter meines Vertrauens zusätzliche 20% auf den gesamten Einkauf bekomme. Und in meiner Tasche fand ich den Kassenzettel der letzten Woche, auf dem ein Sofortrabatt für den nächsten Einkauf im Wert von weiteren 15% versprochen wurde. Außerdem stand darauf, dass wiederum 15% des Warenwertes der letzten Woche (sage und schreibe 32,45 Euro) von meiner heutigen Rechnung abgezogen würden. Einfach so! Und weil ich unschlagbar clever bin, hatte ich sogar meine Aufklebersammelkarte dabei. Voll natürlich. Dafür hatte ich die letzten Monate für je 5 Euro Einkaufswert einen Aufkleber erhalten und jetzt bekam ich dafür völlig umsonst einen Dampfdrucktopf im Wert von 99.99 Euro. Was soll ich sagen, ich war die ganze Nacht damit beschäftigt, den Einkauf meines Lebens zu tätigen. Ich wurde gar nicht fertig. Doch am Ende hatte ich alle Rabattaktionen ideal kombiniert. Der altbekannte Satz „Verschiedene Rabattaktionen können nicht kombiniert werden“ war kein Thema. Und als ich an der Kasse war, bekam ich für meinen übervoll beladenen Einkaufswagen 329 Euro ausbezahlt.

Ich hatte es geschafft. Ich hatte das System überlistet.

Und das rief augenblicklich die Staatsgewalt auf den Plan. Als ich bei uns in die Straße einbog- ich schob den Einkaufswage noch vor mir her-, sah ich sofort das auffällige Auto und die Beamten in Zivil. Ich versuchte unterzutauchen, doch in den Schaufenstern links und rechts von mir kam  bereits ein Fahndungsaufruf mit meiner Beschreibung. Gesucht wurde eine äußerst hübsche jugendliche Frau, die einen Einkaufswagen bei sich hatte. Bei dieser detaillierten Beschreibung würde mich jeder sofort erkennen. Also musste ich meinen Wagen notgedrungen stehen lassen.

Ab da wurde es wirr.

Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich wohl innerhalb kürzester Zeit zum Staatsfeind Nummer eins wurde. Ich war eine Gefahr für unser gesamtes Kapitalsystem. Würde sich meine Technik herumsprechen, gäbe es keine Möglichkeit mehr, die Massen zu kontrollieren. Jeder würde durch Konsum zu Reichtum kommen. Sodom und Gomorrha.

Wie die Geschichte ausging? Weiß ich nicht. Zum Glück wurde ich überpünktlich von meinem Wecker erlöst. Trotzdem beschäftigt es mich weiterhin, dass ich so empfänglich für Werbestrategien mit Rabatten bin.  Tatsächlich nehme ich die meisten dieser Möglichkeiten in der Realität auch in mein Einkaufsverhalten auf. Und freue mich über den einen und anderen Euro, den ich sparen konnte. Um meine Ehre wieder herzustellen, möchte ich aber noch klarstellen:  Ich fahre nicht extra in einen zweiten oder vierten Discounter, um alle Schnäppchen abzugreifen! Dafür habe ich zu wenig Zeit und Nerven. Außerdem kann ich rechnen und weiß, was mich mein Sprit kostet.

Aber am Sonntagmorgen die Werbeprospekte der kommenden Woche durchzusehen, macht mir richtig Spaß. Ohne wirklich etwas zu wollen oder zu brauchen. Nur um zu sehen, was ich auch diese Woche alles nicht kaufen werde. Das ist wie Bilderbuchschauen ohne Text.

Hier muss ich leider schon Schluss machen. Bei uns am Ort gibt es heute die Nougatcreme im Angebot und da muss ich schnell sein, sonst ist sie vergriffen und ich muss wieder die nehmen, die unsere Fußballnationalmannschaft angeblich so gerne hat. Das ist für mich der Beweis, dass auch andere auf die Werbemasche reinfallen. Ich kauf das ganze Jahr die günstigere Variante, doch wenn sie im Angebot ist, bekomm ich keine mehr ab. Wie gesagt, sie ist immer die Günstigere, aber im Angebot will sie jeder haben.

Du kannst Dich auf nächsten Freitag freuen. Da gibt’s Flitzerglitzer im Supersonderangebot.

Deine Glitzer

Ein absolut reales, aber nicht weniger aufregendes Einkaufserlebnis von mir, findest Du unter Wackelpuddinggehirn auf Eis.

5 Antworten auf “Rabattrausch”

  1. Hahaaaa😂😂😂Glitzer, ich lach mich schlapp 😂… Ich stell‘ mir grad vor, wie enttäuscht wohl Deine Nachbarschaft im Traum war. Für soviel Zeug inklusive Gans NUR 329 € zu kriegen😂. Jedenfalls bin ich sehr froh, dass Du dem Schnäppchenwahn zumindest meistens Stand hältst und trotzdem immer genug 🍾 im Kühlschrank hast 😁.. Schönes Wochenende, wir sehen uns😜.. Deine Flitzer🙋‍♀️

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  2. Voll der Aktion-Traum😂😂!
    Aber ich kann das voll nachvollziehen.
    Für Rabattaktionen bin ich zwar nicht so empfänglich, aber mein Schnäppcheninstinkt wird in jeder 1€-Ecke geweckt.
    Da wird mir immer bewusst was man alles (irgendwann 😉) brauchen könnte.
    Und wenn die Stimme der Vernunft im Kopf zu laut wird, hilft mir immer das unschlagbare Argument:
    „Das muss man mitnehmen – kann man bestimmt für die nächste Faschingssaison brauchen!“
    LG 🐰

    Gefällt 1 Person

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